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Demografischer Optimismus: Zukunftsgestaltung statt Alarmismus

In Politikwissenschaft on März 9, 2009 at 9:07 pm

Claudia Bogedan, Till Müller-Schoell, Astrid Ziegler (Hrsg.) (2008): Demografischer Wandel als Chance. Erneuerung gesellschaftlicher Solidaritätsbeziehungen. Hamburg: VSA-Verlag. 14,80 €

Es wird sehr kontrovers diskutiert über den demographischen Wandel in Deutschland. Der Einstieg in den Sammelband „Demografie als Chance“ erfolgt deshalb plakativ: „Der Umstand, dass sich die deutsche Gegenwartsgesellschaft in einer Phase des demografischen Umbruchs mit steigender Lebenserwartung, niedrigen Geburtenraten und entleerenden Regionen befinden, hat wissenschaftlichen und medialen Nachhall gefunden“, schreiben die Herausgeber Claudia Bogedan, Till Müller-Schoell und Astrid Ziegler. Über die Bewertung dieses wissenschaftlichen und medialen Echos gehen die Meinungen auseinander. Die Autoren stellen fest, dass der Wandel der Bevölkerungsstruktur „zumeist in grellen, alarmistischen Farben und Karten diskutiert“ (6) werde. Beliebte Bilder der „Alarmisten“, zu denen vor allem Herwig Birg zu zählen ist, sind die „demografische Katastrophe“, die „Gerontokratie“ und der „Demografie-Tsunami“. Angesichts dieser grellen Bilder haben sich zwei Lager formiert. „Die eine Seite sieht den demografischen Wandel als unabänderliches Schicksal, dem die Politik mit Entschlossenheit begegnen solle. Einschnitte in den solidarischen sozialen Sicherungssystemen, eine Ausdehnung der Lebensarbeitszeit und die Bildung so genanter branchen- und regionalpolitischer Leuchttürme sind Folgen dieser Politik“, schreiben Bogedan, Müller-Schoell und Ziegler kritisch. „Die anderen sehen den demografischen Wandel als gestaltbare Aufgabe die gesellschaftlich bearbeitet werden müsse.“ (7)

Wie sehen „Handlungsoptionen des gestaltenden Staates“ (18) im demografischen Wandel auf den Politikfeldern Wirtschaft, Arbeitsmarkt und Soziales aus, wenn man Schrumpfung und Alterung nicht nur negativ sieht? Die Hans-Böckler-Stiftung hat sich diesem Thema in einer Tagung unter dem Titel „Chancen des demografischen Wandels“ gewidmet, der Sammelband fasst die Ergebnisse zusammen. Die negativen Entwicklungen werden nicht geleugnet, aber die Autoren suchen nach Alternativen. Senioren werden als Wirtschaftsfaktor beschrieben, Innovationsimpulse sieht Scharfenorth in der Altenpflege und der Krankenversorgung. Hilbert / Dahlbeck / Enste bewerten die Gesundheitswirtschaft als Zukunftsmotor, weil sie „eine ausgesprochen positive Wachstums- und Beschäftigungsdynamik entfaltet“ (62). Naegele plädiert für Reformen im Sinne einer „sozialen Lebenslaufpolitik“ (135), die auf eine andere Verteilung der Arbeit und eine bessere Absicherung von Risiken abzielt, die auch durch unterbrochene Erwerbsbiografien entstehen. Außerdem setzt Naegele Akzente bei der „institutionalisierte Förderung von kontinuierlichem oder lebenslangem Lernen“ (136). Neue Impulse für die Gestaltung des demografischen Wandels in der betrieblichen Praxis erwartet Ruf, wenn die Beschäftigungsfähigkeit älterer Arbeitnehmer systematisch verbessert wird – in gemeinsamen Anstrengungen des Unternehmens und der Beschäftigten. Beetz fordert „einen anderen öffentlichen und politischen Diskurs“ (61) in der Regionalisierungs- und Peripherisierungsdebatte. Statt Schwarzmalerei sei das Offenhalten von Optionen für kreative Lösungen gefragt. Das setzt allerdings voraus, dass die öffentliche Hand bereit ist, den Wandel zu steuern und dabei auch periphere Regionen nicht abzuschreiben. Man dürfe nicht allein auf Wachstumskerne setzen. Der Sammelband, der sich an Praktiker in Politik, Gewerkschaften und Unternehmen richtet, korrigiert das negative Bild des demografischen Wandels, kann aber nur erste Ansätze für positive Impulse in Einzelbereichen liefern.

(c) Armin König 2009

Interessante Links:

Armin König: Illingen 2030 – Bürger planen Zukunft im demografischen Wandel
http://www.arminkoenig.de/Publik/Demographie_2030_Koenig_IHK_Book.pdf

Armin König: Bürger planen Zukunft im demografischen Wandel. BOD.
über Google-Books