Klimaschutz, heißt es, sei Menschenschutz. Klimaschutz sei auch Waldschutz. Klimaschutz habe vor allem mit Nachhaltigkeit zu tun. Und Deutschlands Wälder brauchten nun Baumarten, die dem Klimawandel trotzen könnten.
All das klingt prima.
Wir müssen ja tatsächlich handeln, denn es steht nicht gut um die deutschen Wälder, die immer mehr unter den Folgen der Klimakrise zu leiden haben. Die Stichworte: Dürre, Stürme, Borkenkäfer. Ein »zukunftsfähiger« Wald muss her – doch wie kann dieser aussehen?
Josef H. Reichholf ist einer der streitbarsten Ökologen Deutschlands. 30 Jahre lang lehrte er als Honorarprofessor an der TU München Gewässerökologie und Naturschutz. Für Diskussionen haben seine Bücher schon oft gesorgt.
In seinem neuen Buch „Waldnatur“ legt Reichholf Wert auf die Unterscheidung von Wald und Forst. Ein Forst, so Reichholf, sei nichts Anderes als eine „Produktionsstätte für Holz“. Dabei sei Wald doch so viel mehr. Er kritisiert Monokulturen und den neuen Trend, jetzt widerstandsfähigere amerikanische Pflanzen nach Deutschland zu bringen, obwohl die Folgen noch gar nicht absehbar seien.
Auch das beliebte Nachhaltigkeitsgebot nimmt Reichholf genüsslich auseinander. „Gepflanzt wurden rasch wachsende Baumarten, allen voran die Fichte, ohne allzu viel Rücksicht darauf zu nehmen, ob sie standortgerecht sind. Das war bei Fichten kaum jemals im Flachland der Fall. Auch Laubbaumkulturen passten nicht überall, wo sie angelegt worden waren. Es ging vorrangig um die kommerziell gefragten Eigenschaften der Bäume und nicht darum, ob langfristig stabile Wälder entstehen.
Das vielzitierte und hochgelobte Prinzip der Nachhaltigkeit, das von der Forstwirtschaft entwickelt worden war, betont jedoch lediglich den wirtschaftlichen Aspekt: dem vorhandenen Bestand nicht mehr entnehmen als im gleichen Zeitraum nachwächst. Das zu pflanzen, was von Natur aus passt, steckt nicht im von Hans Carl von Carlowitz propagierten Nachhaltigkeitsgebot.“
Und zu Monokulturen schreibt Reichholf: „Dass die in gleichaltrigen, auch genetisch sehr gleichartigen Beständen großflächig gepflanzten Bäume, dass die Monokulturen im Flachland den Kern der Problematik bildeten, wurde offenbar weitestgehend ausgeblendet. Es sollte wachsen, was gebraucht und gewünscht wurde, nicht was zu den Standortverhältnissen passte. Auch die Neupflanzungen nach den massiven Übernutzungen der Forste im Zweiten Weltkrieg und unmittelbar danach erfolgten unter reinen Ertragsgesichtspunkten.“
Man will es aber nicht hur Kenntnis nehmen in der deutschen Forstwirtschaft. Dort gelten eben andere Gesetze als die der Natur. Es geht um schnöden Mammon,w as derzeit schwierig geworden ist. Also wird über große Veränderungen nachgedacht.
„Die Forste sollen nun klimatauglich werden, nicht aber standorttauglich. Die ansonsten, insbesondere von Naturschützern vehement abgelehnten fremden Arten, die »Aliens«, gelten sogar als Helfer in der Not, weil sie, wie die Roteichen Quercus rubra und die Douglasien Pseudotsuga menziesii aus Nordamerika, mit trockenerem und heißerem Sommerwetter besser zurechtkommen als die heimischen Eichen, Fichten und Kiefern. Standortgerechte Baumbestände werden offenbar als nicht zukunftsfähig eingestuft, obgleich aus dem Forstbereich kommende Naturschützer immer wieder und äußerst nachdrücklich betont hatten, dass die (Rot-)Buche unser naturgemäßer Baum sei und Buchenwälder die natürliche Waldvegetation.“ Schreibt Reichholf und trifft einen Nerv. Sein Stil ist nüchtern und klar, seine Argumentation ist überzeugend. Höchste Zeit, darüber öffentlich zu streiten.
Dr. Armin König / Sigrid König
Info:
Josef H. Reichholf
Waldnatur
oekom-Verlag