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Die Zukunft der kommunalen Selbstverwaltung – gibt’s die?

In direkte Demokratie, Politikwissenschaft, Sachbuch on Oktober 29, 2012 at 1:10 am

Barbara Remmert, Hans-Georg Wehling (Hrsg.): Die Zukunft der kommunalen Selbstverwaltung. Kohlhammer Verlag (Stuttgart) 2012. 214 Seiten. ISBN 978-3-17-022012-6. 25,00 EUR. Reihe: Schriften zur politischen Landeskunde Baden-Württembergs – Band 39.

Haben die deutschen Kommunen im Zeitalter der Globalisierung noch eine Chance? Welche Entscheidungsspielräume bleiben den mehr als 100.000 Frauen und Männern in den Stadt- und Gemeinderäten in Deutschland, wenn immer mehr Kompetenzen nach Brüssel verlagert werden, während die Folgen internationaler und nationaler Beschlüsse, Richtlinien und Gesetze lokal wirksam werden?
Wie wirkt es sich auf die Motivation der Stadt- und Gemeinderäte aus, wenn die Aufgaben immer komplexer und die Finanzausstattung immer schlechter wird und die Bundesregierung nicht einmal bereit ist, dies anzuerkennen?
Welche Folgen haben demografischer Wandel und Migration, Energiewende und Digitalisierung? Können Kommunen diese Herausforderungen meistern?
Wie sollen sie damit umgehen, dass ihnen der Bundesumweltminister nun auch noch die Aufgabe des Radwegebaus zuschieben will, obwohl die Kommunen schon für die bisherigen Pflichtaufgaben nicht genug Geld haben?
Das sind ja nicht die einzigen Probleme.
Elemente der direkten Demokratie sind ausgeweitet worden. Das hat die Macht urgewählter Bürgermeister und Landräte gestärkt und Gemeinderäte geschwächt. Welche Perspektiven gibt es für zukunftsorientierte Kommunalpolitik angesichts dieser rasanten Veränderungen?
Auf etwas mehr als zweihundert Seiten sind zentrale Aufgaben kommunaler Zukunftsgestaltung von namhaften Experten der Kommunalwissenschaft und der kommunalpolitischen Praxis in knapper Form dargestellt und diskutiert worden.
Wer dieses Buch liest, lernt Aufgabenstruktur, Probleme und Chancen der Kommunalpolitik kennen. Er oder sie versteht, warum die kommunalen Haushaltsdefizite die Perspektiven der Kommunalpolitik massiv einschränken, warum vor allem die Länder gefragt sind, diese Finanzprobleme gemeinsam mit Städten und Gemeinden zu lösen und dass sich die Kommunalpolitik auch selbst an der Konsolidierung beteiligen muss. Wenn sie dies tut, wird Kommunalpolitik auch weiterhin Chancen haben, trotz Globalisierung, Europäisierung, trotz Demografie und Finanzkrisen. Es bleiben nach wie vor viele Handlungsmöglichkeiten, weil die Handelnden den Bürgerinnen und Bürgern nirgendwo so nah sind wie auf kommunaler Ebene. Dort geht es um Daseinsvorsorge und praktische Lebenslagen, um Problembewältigung und Quartiersgestaltung. Wer sich ehrenamtlich betätigen will, findet dafür eine Fülle guter Gründe. Wer als Bürgermeisterin oder Bürgermeister kandidieren will, erfährt, wie man in sechs Wochen den Chefsessel im Rathaus erobert und in acht Jahren wieder verlieren kann. Aufschlussreich ist Elmar Brauns Praxistest Kommunalpolitik in Verbindung mit Hans-Georg Wehlings Erkenntnis, dass gute Bürgermeister viel gestalten und Jahrzehnte Anführer und Friedensstifter sein können. Natürlich kann dieses kleine Buch nur Appetithappen liefern. Kommunalpolitik ist viel zu komplex, um all die großen Themen zur Zukunft der kommunalen Selbstverwaltung in dreizehn mehr oder weniger kurzen Artikeln abzuhandeln. Aber das Buch macht Lust auf mehr. Und wer schon aktiv ist, kann viel darüber lernen, wie man als Lokalpolitiker Fehler vermeidet, um möglichst lange Freude an seinem Engagement zu behalten. Damit auch die Bürgerinnen und Bürger Freude daran haben.

Dr. Armin König